Jenes Bemühen um die Unmittelbarkeit, das Hinwerfen aus dem Zustrom von Imagination und Gestalt, welche ihm zufällig zufallen lehnt sich über die Kluft von Stilisierungen, Klassizismus, Nostalgie, Romantisierung weit hinaus. Die Brechung durch zerdachte Theorien, Verkopftheiten werden umgangen, um den Raum dergestalt für das Erscheinen auszudehnen. Da ersteht der Mensch selbst, seine Figur, ganze Natur, wie sie der Schöpfung nach geschichtet ist. Die Plastizität ist beherrscht von der Imagination, richtet sich nach ihr und ist hier nicht bloße Idee der technischen Imitation. Die naturalistische Übertragung geschieht also in der Anschauung selbst, welche durch den Maler wirkt, mittels der Methoden, die ihm bislang zur Verfügung standen. Die Instrumente werden nach den soeben eingegebenen Klängen eingesetzt und das Arrangement baut sich um die Symphonie ...
Aus was nun, fragt es sich, ist diese Gefühlswelt gewoben? In seinem Atelier erhallen diaphone Töne: Schönberg, Salvatore Sciarrino, Wolfgang Riem, Stockhausen in Abwechselung zu Impressionisten und Neuer Musik C. Saint-Saens, Debussy, G. Mahler. Woher stammen die Verformungen, die metaphorischen Kurven in der Synchronizität von Schau – Farbe – Gedanke – Linie? Die Poesie der deutschen Klassik und Romantik, über Philosophen wie Hans Bumenberg und sicherlich hinzu aus einem theologischen Weltbild, den Präfigurationen biblisch geprägter Kindheit, bestehend aus fiktionalen Geschichten und Zeichen, welche so unglaubhaft sind, dass sie fassbar werden. Nicht selten ist dieser Ordnungssinn in einem Atelier, wie seinem, sakral ausgelegt für eine Liturgie. So mag sich ein Kind in seinem Zimmer die Bilder in die Luft spinnen, welche er hört, es gibt für ihn kaum ein Hindernis für die Erschaffung von Luftgespinsten aus dem Wort, welches tief in der Höhle seiner Ohrmuschel fiel.
Jedoch lange nach diesem Zeitpunkt begann erst seine wirkliche Liebe zu Italien, aus einer Ferne zurück, als eine Erinnerung, die notwendig, da man in der Gewohnheit ausharrt, aus dem Grund aufsteigt. Sicherlich ist es auch Deutschland zu eigen, das vor soviel Überschwang an Italiensehnsucht, sich Vorort befindend, unwillkürlich von ihr ergriffen wird. Doch diese Sehnsucht ist anderer Art: Andrea Mantegna, Masaccio, aus deren perspektivischem Raum, welcher den Betrachter vereinnahmt, er nie austrat; die Rezeption Caravaggios, den er zu seinen Zeitgenossen zählt. Für eine Herausbildung einer Vision braucht die Vorstellung eine karge Wüste. Nach einer Reise durch das südlichste Mittelgebirge von Südafrika, welches in seinem Radius vierhundert Kilometer braches Land zeichnet, entstanden die sogenannten „Wurzelbilder“ aus dem Jahr 2000, welche uns zum ursprünglichen Gedanken seines Schaffens führen – die Entstehung von Wurzelwerk in einer Ödnis, welche notwendig aus der Vorstellung drängen muss, um sie zu einem Wachstum aus sich herauszufordern und die lebendige Essenz der Imagination daraus zu extrahieren.
In diesem Kampf gegen eine opulente Wirklichkeit der unendlichen Eindrücke, welche sich in einer Geschwindigkeit multiplizieren, die das visuelle Vermögen in einem Unterdruck aushält, währt sich ein Mensch, der sein Auge enthaltsam macht für die Gestalten die aus einer Anstrengung der Selbstüberwindung zu ihm strömen. An dieser Stelle sei ein Auszug aus Rilkes Gedicht „der Schauende“ angeführt:
(...)Wie ist das klein, womit wir ringen, was mit uns ringt, wie ist das groß; ließen wir, ähnlicher den Dingen, uns so vom großen Sturm bezwingen, – wir würden weit und namenlos. Was wir besiegen, ist das Kleine, und der Erfolg selbst macht uns klein. Das Ewige und Ungemeine will nicht von uns gebogen sein.
Das ist der Engel, der den Ringern des Alten Testaments erschien: wenn seiner Widersacher Sehnen im Kampfe sich metallen dehnen, fühlt er sie unter seinen Fingern wie Saiten tiefer Melodien.
Wen dieser Engel überwand, welcher so oft auf Kampf verzichtet, der geht gerecht und aufgerichtet und groß aus jener harten Hand, die sich, wie formend, an ihn schmiegte. Die Siege laden ihn nicht ein. Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte von immer Größerem zu sein.
Das Wachstum des Tiefbesiegten liegt hier in der Umkehrung des wahrgenommenen Bildes. Jene Fixsterne der Vorstellungswelt halten sich ruhig und nüchtern über dem wirren Bilderstrom der Zivilisation. Wie eine neurotische Zuwehrsetzung scheint uns diese Flut, gegen alles was Pathos, Dramaturgie, Stille, Sinnlichkeit ist und kehrt unsere Vorstellungswelt nach außen um in ein Diktat der Unordnung, des Chaos, welches der Malerei auferlegt wurde, welche ihrerseits bestimmt dazu ist eine Freiheit dort entstehen zu lassen, wo der Innendruck des Vakuums nahezu in seiner Auflösung begriffen ist. Ein Zeugnis dieser Spannung ist das Bild „Des Engels Ringen hier auf Erden“. Er bietet hier den synergetischen Dialog mit einer Parallelwelt der illusionierten Andersartigkeit zu dem an, was bereits Illusion ist. Was die Malerei in seinem Verständnis ist? „Jene Fragen nach dem Menschen nicht als Rätsel zu erachten, sondern sie aufzudecken mittels imaginärer Kraft.“ Die Antwort enthüllt sich, sobald der Hintergrund des Fragenden bloß liegt.